Außergewöhnliche Begegnungen mit einem Buckelwal

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Wale sind wohl die mit am größten, mysteriösesten und am wenigsten erforschten und verstandenen Existenzen auf unserer Erde. Ihre teilweise unfassbare und einzigartige Größe in Gegenüberstellung mit ihrem feinfühligen und zarten Wesen lässt uns Menschen immer wieder staunen. Aber auch trotz unserer stetigen und über Jahrhunderte anhaltende Faszination für die Riesen aus dem Meer hält die Forschung doch immer wieder überraschende Erkenntnisse bereit.

Auf den Cookinseln im südlichen Pazifik ereignete sich kürzlich eine solch überraschende Begegnung zwischen einer erfahrenen Meeresbiologin und einem Buckelwal. Eine Begegnung, die einer großen Masse an Forschern in Gänsehaut versetzte und noch einmal demonstrierte, wie viel es über die sanften Riesen noch zu lernen gibt.

1. Die Meeresbiologin

Bild: Nan Daeschler Hauser / Facebook.com

Die 63-jährige Meeresbiologin Nan Hauser verbrachte ihr Leben lang mit der Forschung und Studien von Walen und machte es sich zu ihrer Aufgabe, nachdem sie über drei Jahrzehnte die Welt bereist hatte, die Meeressäuger und ihren Lebensraum zu erforschen und zu schützen.

Das wohl erfolgreichste mit 772.000 Quadratmeilen große Wal-Schutzgebiet hat Nan auf den Cookinseln ins Leben gerufen. Hier lebt und arbeitet sie selbst auch in ihrer eigens gegründeten Wal-Forschungsstation.

Ihre tägliche Forschungsarbeit verbringt sie hierbei mit der Dokumentation verschiedener Wale in Ihren Habitaten. Dazu gehört auch, dass sie regelmäßig zu den Riesen in den Ozean steigt, mit ihnen schwamm und in engsten Kontakt tritt.

2. Ihre Forschungsarbeit

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Durch ihre jahrelange Erfahrung mit Walen war sie in all den Schritten ihrer Dokumentationsarbeit unter Wasser sehr routiniert und wusste immer, was zu tun ist. So fuhr sie auch an einem Spätsommertag mit der üblichen Crew aus ihrer Forschungsstation in Rarotonga raus auf den Pazifik, um eine Gruppe Buckelwale zu studieren. Mit ihrer wasserfesten Kamera in der Hand tauchte sie ab zu den Giganten.

Normalerweise sind Menschen viel zu winzig und unwichtig, um jemals von Walen beachtet zu werden. In der Regel schwimmt Nan neben den Riesen her, auf sie zu, um sie herum und fotografiert und dokumentiert ihre Körper und ihr Verhalten. Bei diesem Exkurs passierte jedoch etwas Ungewöhnliches.

3. Gegen jede Regel

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An diesem Tag trat bei Ihrer Dokumentation plötzlich ein männlicher Buckelwal mit etwas über 23 Tonnen Gewicht und einer Länge von etwa 15 Metern aus der Gruppe hervor und schwamm geradewegs auf Nan zu. Sie wusste, dass das Verhalten nicht normal war, verfolgte seinen Annäherungsversuch aber weiter mit ihrer Kamera.

Er kam immer schneller auf sie zu, bis er sie schließlich rammte und aufgabelte. Der Buckelwal verfolgte sie weiter und schob sie immer weiter vom Boot weg. Auch ihre Versuche, ihm seitlich auszuweichen, ließen ihn nicht von ihr abbringen. Noch nie war ihr bis dahin ein solches Verhalten untergekommen. Was sie in dem Moment vollkommen hilflos ihrem Gegner gegenüber zurückließ.

4. Die Stärke eines Wals

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Die Biologin versuchte weiter aus der Angriffsbahn des Wals zu entkommen, jedoch erfolglos. Mit all ihrer Kenntnis über Wale wusste sie, welche Kraft hinter einem so riesigen Wesen steckte und was er ihr, ihren Knochen und ihren inneren Organen antun könnte, wenn er sie weiter rammte und durch das Wasser beförderte. Aber nicht nur das.

Buckelwale sind nicht für ihr aggressives Verhalten, aber wohl dafür bekannt, mit ihren starken Flossen ihren gesamten Körper rückwärts aus dem Wasser heben zu können. Die Möglichkeit, bei einer falschen Bewegung mit den unkontrollierbaren Flossen oder dem Schwanz des Männchens zusammenzustoßen, bargen für Nan die große Gefahr, ohnmächtig geschlagen zu werden und zu ertrinken.

5. Die Angst im Zaum halten

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Viele amüsierten sich über Nan und ihrer Angst vor Spinnen, einem Wesen hat, dass sie mit der bloßen Hand wegschieben könnte, sie auf der anderen Seite aber furchtlos mit Meeresgiganten ins Wasser steigt. An diesem Tag hatte Nan so große Angst wie nie zuvor.

Die Biologin versuchte aber ruhig zu bleiben und dokumentierte alles weiter mit ihrer Kamera. Sie blieb am Kopf des Buckelwals, wo ihr in dem Fall am wenigsten passieren konnte, zumal der Riese keine Zähne, sondern nur Lamellen im Gesicht trägt. Dennoch war ihr bewusst, dass sie möglicherweise ihren eigenen Tod aufzeichnete, wenn sie es nicht schaffte, schnell und weit genug von dem angreifenden Wal Männchen wegzukommen.

6. Hilflose Zuschauer und neue Mitspieler

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Nans Kollegen und die Crew des Bootes haben den Angriff des Wals mitgeschnitten, konnten jedoch von der Wasseroberfläche nicht eingreifen. Auch Nans Tauchpartner war hilflos. Der halb so erfahrene Forscher beobachtete alles, aber selbst wenn sie Notzeichen hätte geben können, hätte er nicht eingreifen können. Nan war allein mit einem unberechenbaren Buckelwal.

Seltsam war auch, dass der Wal Nan nicht nur weit weg vom Boot auf das offene Meer hinaus schob, sondern dabei auch ungewöhnlich viel Körperkontakt zu ihr suchte. Normalerweise fasste die Forscherin die sensiblen Wale nicht an. Aber dieser wollte es anders.

Noch mysteriöser und unberechenbarer wurde die Situation, als plötzlich ein weiterer Buckelwal auftauchte.

7. Der Ursprung des Verhaltens

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Da Buckelwale Herdentiere sind, war es nicht ungewöhnlich, einen weiteren Wal in der Nähe zu entdecken. Der andere Wal hielt zwar Abstand zu Nan, verhielt sich jedoch ähnlich ungewöhnlich und schlug dazu noch ständig seine Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche, als ob er um sich zu schlagen versuchte.

So etwas hatte die Meeresbiologin noch nie beobachten können, doch dämmerte ihr plötzlich, was hier vor sich ging. In der Ferne bei dem zweiten Wal tauchte ihr eigentlicher Gegner auf: ein 4,5 Meter langer Tigerhai, den der Wal zu verscheuchen versuchte.

Das seltsame Verhalten der Wale war kein Angriff auf Nan, sondern sie haben versucht, die Biologin vor dem Hai zu beschützen.

8. Die Retter in der Not

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Nichtsdestotrotz war nicht klar, wie vielversprechend die Verteidigung der Wale ist und Nan musste schnellstmöglich die Flucht ergreifen.

Tigerhaie sind bekannt für ihre Brutalität und Unnachgiebigkeit.
Wohingegen ein großer weißer Hai in der Regel nur einmal einen großen Bissen nimmt, verfolgen Tigerhaie ihre Beute lange und greifen mehrfach an. Und Nan und ihr Partner befanden sich nun mitten im Jagdfokus eines besonders großen Exemplars.

Mit dem Sicherheitsabstand durch die Buckelwale gelang es den Biologen so schnell es ging, durch das Wasser zurück zum Boot zu preschen, kurz bevor Wale und Tigerhai hinter ihnen auftauchten. Zurück in Sicherheit und mit sinkendem Puls flaute die Angst ab und pure Begeisterung trat ein.

9. Treue Beschützer

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Aber das war noch nicht alles. Nicht nur haben die beiden Buckelwale soeben Nan und ihren Partner durch das Wegschieben und mit der Schwanzflosse um sich schlagen, vor einem Hai gerettet. Als die Forscherin wieder auf die Beine kam, wartete der männliche Wal geduldig neben dem Boot, so als ob er sicherstellen wollte, dass es ihr wirklich gut geht.

Nachdem sie an der Reling auftauchte und er sie wohl gesehen haben muss, blies er einen großen Wasserstoß aus und verabschiedete sich in die Tiefen des Meeres zurück. Nan war der Annahme, dass er sich wirklich um ihr Wohlergehen bemühte und beobachtete ihren neuen Freund vom Heck aus, bis er verschwand.

10. Die Analyse der Expertin

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Nach einem so bahnbrechenden Erlebnis musste natürlich das ganze Bildmaterial aller Kameras und Drohnen ausgewertet werden. Nan kam zu dem Ergebnis des außergewöhnlichen Verhaltens.

Der männliche Wal muss den Tigerhai schon weit vor ihr bemerkt haben und hat versucht, die Frau nah an seinen Körper zu pressen und weg von der Gefahrenstelle zu schieben. Sein Partner kam zur Hilfe und versuchte den Hai durch das Schlagen seiner Schwanzflosse zu vertreiben.

Auch war ihr aus vorherigen Studien bereits bekannt, dass vor allem Buckelwale diesen Beschützerinstinkt zeigen. Jedoch war es das erste Mal seit Beginn der Aufzeichnungen, dass dieses Verhalten einem Menschen gegenüber zum Vorschein gebracht wurde.

11. Die Forschergemeinschaft bleibt kritisch

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Der Beschützerinstinkt der Buckelwale war soweit bekannt, dass sie andere Meeresbewohner aus gefährlichen Situationen retteten. Der Forscher Robert Pitman hat beispielsweise beobachtet, wie ein Buckelwal einen Seehund aus einer Gruppe Killerwale befreien konnte.

Der Bericht von Nan Hauser entzweite jedoch die Forschergemeinschaft. Während die einen ihre Theorie unterstützten, dass der Wal ihr gegenüber eine Schutzhaltung eingenommen hat, streiten sich andere, dass es nicht möglich sei, die Intention des Wals klar zu erkennen. Es sei auch nicht klar nachweisbar, ob der Wal nicht auch andere Gründe für sein Verhalten gehabt haben könnte und die Anwesenheit des Hais damit nicht unbedingt einhergehen muss.

Nan blieb sich ihrer Theorie jedoch sicher.

12. Die Grundlagen für die Theorie

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Sie konnte sich ihrer sicher sein, denn der Theorie über ihren riesigen Beschützer aus dem Meer lag nicht nur ihr Erlebnis, das Fotomaterial und frühere Studien zugrunde. Nans Glaube an des Verhaltens ihres Wals begründet sie zudem im Forschungsansatz über „Tierische Selbstlosigkeit“.

Diese ergab sich aus Studien über Instinkt und Emotion. Wobei man bei einigen Forschungsergebnissen das hier stattgefunden Verhalten mit Begriffen wie Mitleid erklärt werden könnte, differenziert Nan dies ganz klar.

Mitleid ist ein rein menschliches Verhaltensmuster und Gefühl. Wenn Menschen ein Tier vor Gefahr beschützen, dann tun sie dies aus Mitleid und auf Grundlage der Ausbildung des emotionalen Teils ihres Gehirns. Selbstlosigkeit hingegen ist soziobiologisch übertragbar.

13. Die selbstlosen Helden der Meere

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Selbstlosigkeit bedeutet in einem gewissen Zustand kein Bewusstsein über die eigene Person und den eigenen Körper zu haben. Bei den meisten Spezies definiert Selbstlosigkeit im Zuge von Instinkt z. B. Mutterinstinkt oder Jagdinstinkt zum Fortbestand des eigenen Nachwuchses.

In einer Situation, wie Nan sie erlebte, mag es möglich sein, dass der Buckelwal sie aus Mitleid verteidigt hat, es ist jedoch nahe liegender, dass dies ein Beschützerverhalten war, wie er es auch bei seinen eigenen Nachkommen ausleben würde.

Was auch immer ihn bewegt hat, es bleibt das einzigartige Erlebnis der Nan Hauser, deren Engagement zur Erforschung und zum Schutz der Wale mit einem Wal als Beschützer und Lebensretter belohnt wurde.