Macht ein Boykott der WM in Katar Sinn?

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Die Winter WM in Katar steht in den Startlöchern. Am 20.11.2022 startet die Weltmeisterschaft im Wüstenstaat mit dem Eröffnungsspiel des Gastgebers gegen Ecuador. Dann ist Katar rund einen Monat zumindest das sportliche Zentrum der Welt. Wie jedes Mal vor einer WM hat das Warten somit am kommenden Sonntag ein Ende. Ein Warten, das einem besonders lang vorkam. Vor keiner WM in der Geschichte des Fußballs wurde im Voraus so viel diskutiert.

Seit der Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar steht die Vergabe in der Kritik. Stimmen eines Boykotts wurden, je näher die Endrunde rückt, immer lauter. Trotzdem werden viele Millionen Menschen tagtäglich vor dem Fernseher sitzen und die Spiele verfolgen. Und zu einem Boykott wird es jetzt wohl nicht mehr kommen. Doch hätte dieser überhaupt Sinn gemacht? Oder Deutschland mehr geschädigt als gebracht?

1. Kein Risiko

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Zunächst sollte man betrachten, welche Gruppen und welche Menschen sich immer wieder für einen Boykott der WM ausgesprochen haben. Am meisten haben sicherlich Fußball Fans in ganz Deutschland auf die Möglichkeit eines Boykotts hingewiesen. Immer wieder sah man große Plakate und Banner oder kleine Pappkarten in den deutschen Stadien. All diese Menschen sind Fußball Fans.

Durch den Boykott der WM würden sie selbstverständlich auf ihren geliebten Fußball verzichten. Doch was haben sie neben diesem Verzicht überhaupt zu befürchten? Die Antwort ist sehr einfach. Nichts. Sie müssen keine Angst vor politischem Gegenwind haben. Sie müssen keine Angst vor fehlenden Einnahmen haben. Und sie müssen keine Angst vor anderen Konsequenzen haben. Es ist eine Einbahnstraße, in der die Boykott-Befürworter keine Angst vor Gegenverkehr haben müssen.

2. Alternativprogramme

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Eine weitere Gruppe, die zur WM Zeit sicherlich immer ein Plus erwirtschaftet, sind Kneipen und Barbesitzer. In den heißen Sommermonaten genehmigen sich viele Deutsche während der Spiele, das ein oder andere Kaltgetränk. Allerdings weiß niemand, wie diese Situation im Winter aussehen wird.

Während in den Monaten Juni und Juli, in denen die WM normalerweise stattfindet, sonst im Grunde genommen nichts anderes ansteht, kollidiert die Winter WM mit einer enormen Einnahmequelle. Dem Weihnachtsgeschäft. Bars und Kneipen, die sich für einen Boykott einsetzen, müssen letztlich wohl nicht auf allzu viel verzichten. Der Andrang aufgrund der Weihnachtsstimmung wird trotzdem erhalten bleiben. Auch deshalb, da der Boykott bei einigen Kunden wohl besonders gut ankommen würde.

3. Katars Engagement in Deutschland

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Am Ende des Tages hätte Deutschland Einiges mehr zu befürchten durch einen Boykott der WM in Katar. Die Menschen, die einen solchen Boykott fordern, denken nämlich nur an die kurzfristigen Folgen. Die Auswirkungen, die Deutschland als Ganzes zu befürchten hätte, wären weitaus bedeutender.

Zunächst einmal hat Katar einen deutlich größeren Einfluss in Deutschland als gedacht. Denn die Katarer sind an vielen Unternehmen wie Siemens, VW und Porsche beteiligt. Sollte man nun auch diese boykottieren? Eine schwierige Frage. Sicher ist allerdings, dass der Wüstenstaat einen Boykott aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf sich sitzen lassen würde.

4. Ärger wird an den Falschen ausgelassen

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Eine weitere Frage, die sich Boykott Befürworter stellen müssen, ist, ob sie ihren Ärger überhaupt an den Richtigen auslassen. Ist Katar der Sündenbock? Oder sollte man doch eher die FIFA verantwortlich machen. Die Antwort auf diese Frage ist sicherlich nicht einfach. Die FIFA kann eher weniger für die schlechten Arbeitsbedingungen auf den Baustellen Katars.

Zumindest war das sicherlich anders vereinbart. Zudem streichen sie eine Unmenge an Geldern ein. Katar auf der anderen Seite profitiert letztlich von der WM Endrunde. Enorme Gewinne und steigende Popularität ist bei einer WM inklusive. Katar macht, das, was für das Land das Beste ist. Sollte man deshalb nicht eher sauer auf die FIFA sein?

5. Alleine macht es keinen Sinn

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Bei allen guten Vorsätzen und Hintergedanken muss man bezüglich eines WM-Boykotts auch realistisch bleiben. Und die Realität sagt, für die WM Sponsoren ist Deutschland nur ein Land von vielen. Sicherlich eines der Bedeutendsten, allerdings eben nur eins.

Ein Boykott der Nationalelf würde zwar ein starkes Zeichen setzen, allerdings wäre dieses in wenigen Jahren wohl schnell vergessen, wenn die WM trotzdem ordnungsgemäß stattfindet. Aus diesem Grund würde eine Ablehnung der Weltmeisterschaft lediglich im Kollektiv Sinn machen. Erst beim Fehlen von fünf bis zehn großen Nationen würde die WM enorm an Popularität verlieren.

6. Fragliche deutsche Politik

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Eine weitere schwierige Angelegenheit ist die deutsche Politik gegenüber Katar. Diese ist von vielen Unsicherheiten und Schwankungen gezeichnet. Während Präsident Scholz die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen in Katar scharf verurteilt hat, werden aus anderen Teilen der Bundesregierung unterschiedliche Zeichen gesendet.

Wirtschaftsminister Habeck bemüht sich nämlich indessen um Gaslieferungen aus Katar. Wenn man die WM und deren Bedingungen verurteilt, warum macht man dann überhaupt gemeinsame Sache? Ganz einfach. Weil man am Ende des Tages nicht darauf verzichten kann.

7. WM Boykott auch von ganz oben?

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Das Spannungsfeld, das sich zwischen Katar und den restlichen Nationen gebildet hat, ist deshalb äußerst empfindlich. Europäische Länder brauchen Katar aufgrund unterschiedlichster Lieferungen und Beteiligungen in lebenswichtigen Bereichen. Katar hingegen benötigt alle großen Fußball Nationen.

Denn was wäre eine WM ohne Frankreich, Deutschland, England, Spanien und Portugal noch wert? Und noch viel wichtiger. Wie hoch wären die Einnahmen einer solchen Veranstaltung. Trotz der Kritik an der WM ist es allerdings schwer vorzustellen, dass diese unter allen Umständen erhalten bleibt. Würde Kanzler Scholz wirklich ein WM-Finale Deutschlands verpassen? Wohl eher nicht.

8. Will man Katar als Gegner?

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Sie wurden nun bereits durch viele Punkte darüber informiert, dass ein alleiniger Boykott Deutschlands eher schwierig umzusetzen wäre. Durch diesen würde Deutschland nämlich die Gefahr eingehen, sich Katar möglicherweise zum Gegner zu machen. Und will man das?

Der Einfluss Katars ist größer als gedacht. Unterschiedliche, teils lebenswichtige Branchen werden von Katar aus unterstützt. Ein Boykott und die Ablehnung der WM würde diese Partnerschaften aufs Spiel setzen. Ein Risiko, das man in Deutschlands Spitze auf keinen Fall eingehen will.

9. Katars Wandel

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Hinzu kommt, dass sich Katar in den letzten Jahren gewandelt hat. Natürlich sind sie immer noch nicht auf dem Stand, den wir in Zentraleuropa als Standard voraussetzen. Trotzdem sind Veränderungen und Besserungen zu erkennen. Laut der internationalen Arbeitsschutz-Organisation (ILO) haben sich die Arbeitsschutzbedingungen nämlich um einiges gebessert.

Natürlich sind sie noch lange nicht optimal, allerdings inzwischen deutlich besser als in umliegenden Ländern wie Kuwait. Zudem macht auch die Stellung der Frau in Katar einen Wandel durch. In einer ARD Dokumentation mit Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger erfährt der Zuschauer interessante Details. So erzählen katarische Frauen, dass die Scheichs sowohl ihre Hausgrundstücke als auch ihre Krankheitsfälle zahlen. Natürlich sind diese Aussagen mit Vorsicht zu betrachten. Trotzdem ist es ein Schritt in die richtige Richtung.