In der Mitte des 20. Jh. wurde der Grundstein für viele bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen gelegt. Jeder kennt die Geschichten um den Wettlauf ins All und die damit verbundenen Heldengeschichten und Meilensteine der Forschungsgeschichte.
Die Wenigsten kennen jedoch die Geschichte über einen ähnlichen Wettkampf: der Weg ins Innere der Erde. Auch hier zeichneten sich vor allem amerikanische und sowjetische Forscher für die größten Erfolge verantwortlich. Wir werden heute die faszinierende Grabungsstelle auf einer kleinen russischen Halbinsel mit Namen Kala genauer betrachten. Unglaubliche 12.262 Meter tief wurde hier gegraben. Doch 1992 wurde das Projekt aufgegeben – bevor das gesetzte Ziel von 15.000 Metern erreicht wurde.
1. Der Wettlauf in die Tiefe
Um unzählige Fragen zur Beschaffenheit der Erde, der Erdkruste und dem Erdkern zu beantworten, sahen Wissenschaftlicher in den 1950er-Jahren nur eine Möglichkeit. Ein tiefes Loch musste gebohrt werden, um so an allerlei Bohrkerne und Gesteinsproben für Analysen zu gelangen.
Den ersten Schritt machten die Amerikaner mit einer Bohrung in der Nähe von Mexiko. Doch dieses Unterfangen musste bereits nach ca. 600 Metern abgebrochen werden – weitere Bohrungen der Amerikaner sollten erst über 20 Jahre später aufgenommen werden. In dieser Zeit wurde auch die Sowjetunion aktiv. 1970 startete das Megaprojekt auf der Kola-Halbinsel, mit dem Ziel die unvorstellbare Tiefe von 15.000 Metern zu erreichen.
2. Die Amerikaner legen erneut vor – die Sowjetunion zieht nach
1974 präsentierte die amerikanische Regierung ein unglaubliches Ergebnis. In Oklahoma wurde auf der Suche nach Ölvorkommen ein künstliches Loch von beinahe 10.000 Metern Tiefe geschaffen. Öl wurde zwar keines gefunden, dafür konnte der Anspruch auf das tiefste Loch der Erde erhoben werden.
Selbstverständlich wurde dieses Loch auch für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt. Doch bereits wenige Jahre später – 1979 – erreichte eines der Bohrlöcher des Kola-Projektes die Tiefe von 10.000 Metern, ein Ende dieser Tiefeingrabung war noch lange nicht in Sicht. Im Jahr 1983 war die Bohrmannschaft bis zu einer Tiefe von knapp unter 12.000 Metern vorgedrungen und stieß nun auf erste ernsthafte Probleme.
3. Technische Probleme führen zur Aufgabe des Bohrlochs
Die Bohrungen auf der Kola-Halbinsel gerieten ins Stocken und wurden zunächst für ein Jahr pausiert. Nach der Wiederaufnahme zeigte sich jedoch schnell, dass weitere Bohrarbeiten technisch nicht umsetzbar waren. Zu groß war die Gefahr, dass das relativ schmale Bohrloch einstürzen würde.
Doch die Wissenschaftler gaben nicht auf: Schnell wurde der Beschluss gefasst, ein neues, stabileres Loch zu bohren und erneut in bislang unerreichte Tiefe vorzustoßen. Zu diesem Zweck wurde ab einer Tiefe von ca. 7000 Metern ein abzweigender Tunnel und damit ein neues Bohrloch angelegt. Das optimistische Ziel lautete bis Ende der 1990er-Jahre eine Tiefe von ca. 13000 Metern zu erreichen.
4. Neue Ziele, unerwartete Probleme
Doch bei 13.000 Metern sollte noch lange nicht Schluss sein. Prognosen zeigten, dass sogar eine Tiefe von 15.000 Metern erreicht werden könnte. Doch im Zuge der Bohrungen traten überraschend früh unerwartete Probleme auf. In der Tiefe von ca. 10.000 Metern stieg die Temperatur plötzlich überdurchschnittlich hoch an.
Bisherige Erfahrungen hatten die Wissenschaftler dazu verleitet, Temperaturen von in etwa 100 °C zu erwarten. Während der Bohrungen wurden jedoch unglaubliche 180 °C gemessen. Außerdem war das Gestein in diesem Bereich von weicher, beinahe plastikartiger Konsistenz. In Kombination mit der extremen Hitze schafften die Bohrer, welche für extra hartes Gestein ausgelegt waren, kaum weiteren Fortschritt.
5. 12.262 Meter – Ende der Bohrarbeiten
In der Tiefe von 12.262 Metern musste das Bohrteam endgültig aufgeben. Ca. 20 Jahre nach Beginn der Bohrungen wurden diese nun endlich eingestellt. Das prognostizierte Ergebnis von 15.000 Metern wurde zwar klar verfehlt, dennoch war das Kola-Loch das tiefste der Welt und konnte für zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen genutzt werden – ein klarer Prestigesieg für die Russen, welche nach dem Zerfall der Sowjetunion das Projekt übernommen hatten.
Erste Untersuchungsergebnisse brachten überraschende Ergebnisse. So konnten beispielsweise in Proben, welche in ca. 6000 Metern Tiefe genommen wurden, kleine Meeresfossile gefunden werden. Außerdem zeigte sich, dass auch in dieser Tiefe nur Granit, jedoch nicht der erwartete Basalt auftrat.
6. Wasser tief unter der Erdoberfläche?
Die Untersuchungen beim Kola-Bohrloch zeigten, dass auch tief unter der Erdoberfläche flüssiges Wasser vorhanden war. Diese Erkenntnis war insofern überraschend, als dies bislang als unmöglich angenommen wurde. Schnell wurden abstruse Theorien laut, welche von Beweisen für die Sintflut und weitere biblische Ereignisse sprachen. Doch die wissenschaftliche Antwort ist deutlich realistischer.
Durch den hohen Druck im Inneren der Erde werden Sauerstoff- und Wasserstoffmoleküle aus dem Gestein gepresst. Diese schließen sich zu Wasser zusammen, welches in einzelnen Situationen zwischen Lagen aus wasserundurchdringlichem Gestein eingesperrt werden kann. So kann das Wasser über ewige Zeiten auch in den tiefsten Schichten des Erdmantels erhalten bleiben.
7. Gibt es noch tiefere Löcher in die Erde?
Bis heute gilt das Bohrloch bei der Kola-Halbinsel als tiefstes Loch der Erde. Tatsächlich handelt es sich jedoch „nur“ um das tiefste Loch, welches wissenschaftlich erforscht wurde. Rund um die Welt wurden im Rahmen vor Ölförderungen unglaublich tiefe Löcher gebohrt. Einzelne davon reichen sogar noch tiefer in die Erde.
Als Beispiele kann hier das Ölbohrloch bei Al Shaheen in Katar genannt werden, welches mit 12.289 Metern angegeben wird. Noch tiefer geht es erneut nur in Russland. Das ebenfalls zur Ölgewinnung angelegte Bohrloch bei Sakhalin-I reicht einzigartige 12.345 Meter in die Tiefe. Es bleibt abzuwarten, welche Tiefen in der näheren Zukunft noch erreicht werden können.
8. Warum wurde da Bohrloch der Kola-Halbinsel aufgelassen?
Viele Leute gehen davon aus, dass der Zerfall der Sowjetunion maßgeblich zur Aufgabe des Bohrlochs beigetragen hat. Zwar profitierte der neue russische Staat stark von den prestigeträchtigen Forschungen, stellte jedoch keinerlei Mittel zur Fortführung der Bohrungen zu Verfügung. So konnte kein neuer Bohrkopf entwickelt werden, welcher das Gestein mit plastikartiger Konsistenz durchdringen könnte.
Andere Berichte besagen, dass die Wissenschaftlicher schlicht und einfach mit den Gegebenheiten überfordert waren. Schließlich waren die Temperaturen im Bohrschacht unerwartet hoch, außerdem strömten giftige Gase aus der Tiefe. Wie so häufig ist vermutlich eine Kombination mehrerer Faktoren die tatsächliche Antwort. Die speziellen Anforderungen hätten zu viel Geld erfordert, weswegen die Grabungen eingestellt wurden.
9. Mysteriöse Geschichten aus der Hölle
Eine andere Theorie besagt, dass das Loch bei der Kola-Halbinsel aufgegeben und zum Teil verschüttet wurde, weil man einen Weg zur Hölle freigelegt hatte. In der Tiefe sollen mysteriöse Steine und Fossile gefunden worden sein. Außerdem soll bei einem Experiment eine furchteinflößende Tonaufnahme angefertigt worden sein.
Es wird berichtet, dass auf dieser Aufnahme aus 12.000 Metern Tiefe die schmerzerfüllten Schreie von Menschen zu hören sein sollen. In Kombination mit der großen Hitze und den giftigen Gasen war die Lösung schnell in einer biblischen Hölle gefunden. Anerkannte Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang selbstverständlich nur von Fake-News und fälschlichen Interpretationen und Auswertungen der Aufnahmen.
10. Was heute noch sichtbar ist
Aus welchen Gründen auch immer – die Arbeiten und Untersuchungen wurden eingestellt, das Bohrloch als, Gefahr für die Umwelt und die Allgemeinheit weitgehend zugeschüttet. Heute können daher keinerlei neue Untersuchungen durchgeführt werden. Auch Touristen, welche das tiefste Loch der Erde, welches wissenschaftlich erforscht wurde, besichtigen möchten, werden meist enttäuscht.
Denn außer den ehemaligen Arbeitsbaracken und Ruinen der Forschungslabore ist kaum etwas sichtbar. Doch immerhin kann ein großer, rostiger Deckel entdeckt werden, welcher den Zugang zu den Resten des Bohrlochs verschließt. So kann zumindest in der Fantasie der Menschen die mysteriöse Geschichte um den vermeintlichen Zugang zur Hölle am Leben gehalten werden.